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Zuhause (Philosophisches)

… ist es am Schönsten, so heißt es und ich muss gestehen, ich bin ganz froh, wieder hier zu sein, auch wenn Kichwamba wunderschön ist.

Es ist Sonntag Nachmittag und ich liege gerade auf meinem Bett, den Laptop auf den Beinen, das Internet funktioniert ganz passabel und rechts und links von mir schnurren und putzen sich Kater. Draussen schwirren 9 Kinder rum, es wird gekocht, Mais sortiert und gelacht und geschrieen (wie das eben so ist mit so viel Kindern). Ich habe heute meinen freien Gammeltag, habe am Vormittag nochmal eine zweite Schlaf-Runde eingelegt, danach etwas in der Sonne gelesen, Hühnchen gegessen, an Bildern gearbeitet… also einen ganz entspannten Tag gehabt.

Und während vor meiner Zimmertür zum Innenhof das Leben tobt, muss ich an einen Freundesbrief von entfernten Bekannten denken. Sie sind vor ein paar Wochen als Familie nach Afrika „ausgewandert“. Bereits nach weniger als 4 Wochen stolpert man über einen Kommentar über Privatsphäre. Für mich ist das (Privatsphäre) seit 3 Jahrem ein Fremdwort. Ich glaube, außer in meinem Urlaub gibt es so etwas nicht in meinem Leben. Ob ich das schlimm finde? Nein. Manchmal gibt es Augenblicke, da geht es mir auf die Nerven, aber ich wollte immer „mittendrin“ sein, und genau das bin ich, mitten im afrikanischen Leben, soweit es das in einem gemischten Haushalt gibt.

Wie früher schon mal gesagt, 13 Menschen leben hier in einem Haus mit Anbau, 4 davon sind erwachsene Frauen, der Rest Kinder zwischen 4 und 14.  Für Afrikaner ist das ganz normal und für mich eben auch. Ich habe ein kleines feines etwa 16 qm großes Zimmer, in dem auch eine Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette ist (also ist mein Zimmer etwa noch 12  qm groß). Für die meisten Europäer wäre das wohl weit unter dem Standard, für mich ist es ein feiner Luxus und ich liebe es.

Immer wieder wundert es mich, in was für einem Luxus hier die Missionare leben: Essen aus den Staaten, einen Pajero als „Dienstwagen“, feste Urlaube, in denen man -auf Missionskosten- in sein Heimatland geschickt wird, Dutzende von care-Paketen jedes Jahr, der eigene Compound wie ein Ferienhaus, Angestellte, die alle  Arbeiten machen (vom betten machen, über Putzen, Bügeln, Kochen…), dazu Gehälter, von denen ich nur träume (ihr wollt gar nicht wissen, was man hier „verdient“, Schüler in Deutschland verdienen mit Zeitungsaustragen mehr!). Und wenn ich mir das so anschaue und feststelle, dass besagte Missionaries im Grunde in ihrem kleinen Amerika oder Deutschland oder was auch immer leben, dann wundert es mich nicht, dass viele, auch nach vielen Jahren, immer noch nichts von den Menschen verstanden haben. Wie will man mit dem Menschen auf eine Ebene kommen, wenn man in keinster Weise nachvollziehen kann, wie sie leben? Auch ich lebe im Luxus (im Vergleich zu vielen Ugandern), aber ich bekomme zumindest ein bißchen was mit. Für Deutschland unverständlich ist zum Beispiel, mit wie viel Freude und Gleichmut Kinder mit einander umgehen und sich -so ganz ohne Technik und hochmodernem Spielzeug- total gut beschäftigen.

Ich habe hier in den eineinhalb Jahren, in denen ich jetzt hier bei Sarah mitlebe, vielleicht ein Hand voll heftiger Streitereien unter den Kindern mit bekommen. Klar man wird mal zurecht gewisen und auch Kinder haben mal einen schlechten Tag, aber so eine Patzigkeit und Unzufriedenheit und Ungeduld wie in Europa habe ich hier nicht erlebt. Man stört sich auch an Vielem nicht, weder am Lärm, noch dass man 20mal hinter einander beim Namen gerufen wird, man schaut nacheinander, ist nicht böswillig, lacht und redet und arbeitet zusammen. Wenn der Nachbar seinen Müll verbrennt und einem die Asche auf den Kopf fällt und der Rauch den Atem nimmt -man beschwert sich nicht. Wenn die Born-Again-Church ihre overnight-prayers hat und die ganze Nacht scheppernde Musik und Geschrei durch das Dorf schallt oder wenn man die Musik aus der Stadt (einige Kilometer weg!) im eigenen Zimmer noch hört, so nimmt man das mit Gelassenheit.

Oder nehmt Dinge wie Strom, Wasser und Internet. Alles Dinge, die hier regelmässig nicht da sind. Was nützt das Ärgern oder Jammern? -nichts! Also die Parafin-Lampe her,  Geschichten erzählen oder Lieder singen oder einfach bei Kerzenschein noch lesen. Ich liebe diese Abende, andere regen sich auf, wenn sie 2mal im Jahr keinen Strom haben… darüber kann  an hier nur mitleidig lächeln. Oder denkt an die Wäsche und Waschmaschine. Eine Waschmaschine hatte ich hier in Afrika noch nie, ich wasche bis auf Bettwäsche und Handtücher meine Wäsche weitestgehend selber mit der Hand, und das nun -bis auf eine mehrmonatige Pause zwischendurch- schon seit 3 Jahren!)

Wir ungeduldigen Europäer dagegen, mit unseren Dickköpfen und ständigen Streitereien wegen irgendwelchem unsinnigen Zeug… das ist hier unverständlich. Und deshalb liebe ich es hier. Man kommt an Grenzen, immer wieder, aber ich habe erlebt, dass ich gewachsen bin. Und zwar je mehr, je näher man am tatsächlichen Leben ist. Das ist etwas, was ich mir für die vielen idealistischen Missionare wünsche, dass sie sich einlassen und bereit sind, verändert zu werden, dass sie bereit sind, sich auf das Land, sie Menschen und deren Kultur einzulassen und von ihnen zu lernen, anstatt ihnen den europäischen Standard auf zu drücken und schliesslich verbittert und frustriert zu werden. Leben kann einfach sein -wenn ich bereit bin, mich einzulassen und zu lernen….

Und so ertappe ich mich, wie ich dann und wann schmunzelnd nachts in meinem Bett liege, all diese Geräusche und Gerüche aufnehme, über die Verücktheiten des Tages nachdenke und dankbar bin für dieses Afrika, denn so habe ich es kennen und lieben gelernt!

ich vor meinem Zimmer

ich vor meinem Zimmer -neben mir Rose

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